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Das Bundeskabinett hat in der Sitzung vom 23.03.2020 den Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich coronabedingter Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen beschlossen und damit das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, welches nach den Erklärungen der Beteiligten noch bis Ende der Woche einschließlich der notwendigen Zustimmungen des Bundesrates abgeschlossen werden soll. Das beabsichtigte Gesetz sieht für den ambulanten Bereich der Pflege, insbesondere für die Intensivpflege folgende Regelungen vor, auf die Sie sich einstellen sollten:
Regelung § 147 Abs. 1 SGB XI:
Abweichend von der bisherigen Regelung sind bis zum 30.09.2020 keine persönlichen Begutachtungen der Versicherten in ihrem Wohnbereich erforderlich, um Einstufungen zur Pflegebedürftigkeit vorzunehmen. Die Gutachten zur Einstufung können nach Aktenlage erfolgen.
Maßnahme:
Zur Beschleunigung des Verfahrens sollten Sie bei Überleitung eines Versicherten in Ihre Versorgung sicherstellen, dass sich wesentliche Angaben zur Feststellung des Grades der Pflegebedürftigkeit aus dem vorläufigen Entlassbrief und der Antragstellung selbst ergeben. Zu empfehlen ist hier das Assessment zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit entweder mit dem Versicherten selbst, dessen Angehörigen oder gemäß den eigenen Feststellungen im Rahmen des Entlassmanagements zu erheben und der Pflegeversicherung zur Begutachtung durch den MDK zu übersenden.
Regelung § 147 Abs. 2 SGB XI:
Unter Aussetzung der Regelungen in § 18 Abs. 2 SGB XI werden alle Wiederholungsbegutachtungen bis einschl. 30.09.2020 ausgesetzt, auch dann, wenn entsprechende Empfehlungen durch den medizinischen Dienst bereits getroffen wurden.
Maßnahme:
Sofern sich der Pflegezustand der von Ihnen versorgten Versicherten derart verändert hat, dass dieser eine Einstufung in einen höheren Pflegegrad begründen würde, darf die Aussetzung der Wiederholungsbegutachtungen nicht zum Nachteil der versorgten Versicherten führen, sodass Sie diesem raten sollten, trotz der Aussetzung einen Antrag auf Höherstufung bei den Pflegeversicherungen zu stellen. Dokumentieren Sie auch hier ggfls. im Rahmen eines Assessments die zur Begründung der Höherstufung notwendigen Einzelpositionen, und sichern Sie hierzu notwendige Unterlagen.
Regelung § 147 Abs. 3 SGB XI:
In § 147 Abs. 3 SGB XI wurde die bisherige Bescheidungsfrist von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags bis zum 30.09.2020 für unbeachtlich erklärt. Für Pflegeanträge gilt mithin die allgemeine Bescheidungsfrist von derzeit 6 Monaten nach § 88 Abs. 1 SGG. Dem Spitzenverbund Bund der Pflegekassen wurde aufgegeben, bis 09.04.2020 Kriterien vorzugeben, wie bei besonders dringlichem Entscheidungsbedarf das Verfahren zu beschleunigen ist.
Maßnahmen:
Sofern Patienten in Versorgungen übernommen werden, bei denen zuvor keine Einstufung in einen Pflegegrad erfolgte, ist im Zusammenhang mit der Übernahme der Versorgung von sogenannten Intensivpatienten zwingend mit den Krankenversicherungen zu klären, wie die Abrechnung der Leistungen ohne Pflegegrad und damit der Anwendbarkeit der Kostenabgrenzungsrichtlinie erfolgen soll. Anzuraten ist eine Vereinbarung des Inhalts, dass der vereinbarte Stundensatz zunächst über 24 Stunden abgerechnet werden kann und erst ab dem Zeitpunkt der Einstufung in den Pflegegrad eine entsprechende Anrechnung der Pflegezeiten auf die Behandlungspflege stattfindet. Bitte beachten Sie, dass – sofern nicht etwas Gegenteiliges mit der Krankenversicherung vereinbart wurde – eine Abrechnung der Behandlungspflege über 24 Stunden grundsätzlich eine weitere Abrechnung der Pflegeleistungen für die diesen Zeitraum ausschließt. Abweichende Bescheidungsmöglichkeiten sind jedoch möglich. In jedem Fall bedarf es einer Klärung, damit seitens der Kostenträger die bis zum 30.09.2020 ausgesetzte Einstufung nicht dazu verwandt wird, die Zahlung offener Behandlungspflegevergütungen zu verweigern. Hier droht erheblicher finanzieller Schaden.
Regelung § 147 Abs. 4 SGB XI:
Die bisherige Regelung, wonach die Pflegekasse bei Stellung eines Antrags auf Einstufung in einen Pflegegrad oder wenn 20 Arbeitstage nach Antragstellung noch keine Begutachtung der erfolgt ist, mind. drei unabhängig Gutachter zu benennen hat, wird bis zum 30.09.2020 für all die Fälle ausgesetzt, bei denen kein dringlicher Entscheidungsbedarf festgestellt wurde. Wann ein solcher vorliegt, ist noch durch den Spitzenverband Bund der Pflegekassen bis zum 09.04.2020 zu definieren.
Regelung § 147 Abs. 5 SGB XI:
Bis zum 30.09.2020 ist die Entschädigungsverpflichtung der Pflegekasse, wonach diese bei Verzögerung der Bescheidung eines Antrags auf Einstufung/Höherstufung eines Pflegegrades nach Ablauf von 25 Arbeitstagen pro begonnener Woche der Fristüberschreitung 70,00 € an den Antragsteller zu zahlen hat, ausgesetzt.
Regelung § 148 SGB XI:
Bis zum 30.09.2020 sind Versicherte, die Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegeleistungen beziehen, zwar weiterhin berechtigt, aber nicht mehr verpflichtet, Pflegeberatungen in der eigenen Häuslichkeit durch einen zugelassenen Pflegedienst durchführen zu lassen und müssen insoweit auch bei Überschreitung der geltenden Beratungsintervalle nicht mit Kürzungen des Pflegegeldes durch die Pflegekassen rechnen.
Maßnahmen:
Durch die Regelung in § 148 SGB XI wurde kein Verbot der Durchführung von Pflegeberatungen ausgesprochen, sondern lediglich den Pflegeversicherungen die Möglichkeit entzogen, den Anspruch der Versicherten auf Pflegegeld zu kürzen, sofern diese die im Zeitraum zwischen dem 01.01.2020 bis 30.09.2020 fälligen Beratungsbesuche nicht durchführen lassen. Pflegeberatungen können daher auch weiterhin erbracht und abgerechnet werden, wobei die landesrechtlichen Vorgaben zum Infektionsschutzgesetz zu beachten sind. Gegebenenfalls Könnten sich hieraus Einschränkungen ergeben, die im Einzelfall zu prüfen sind. Bitte beachten Sie, dass es sich bei den Pflegeberatungen um Dienstleistungen in Ausübung beruflicher Tätigkeiten handelt, die unmittelbar der Sicherstellung medizinisch, pflegerischer Versorgungsleistungen und der Sicherstellung der Qualität häuslicher Pflege dienen. Durch die Beratungen wird letztlich eine sach- und fachgerechte Pflege gewährleistet.
Regelung § 150 Abs. 1 SGB XI:
Für die ambulanten und stationären Leistungserbringer hat der Gesetzgeber bei Eintritt von Beeinträchtigungen der Leistungserbringung in Folge des Corona-Virus in Abstimmung mit den jeweils zuständigen Stellen (bei Intensivpflege insbesondere den Krankenkassen) und den für den Leistungserbringer/Leistungsort zuständigen Heimaufsichtsbehörden die Abweichung von vertraglichen Anforderungen an die Leistungserbringung, u.a. auch die Unterschreitung von vereinbarten Personalausstattungen und einen flexiblen Einsatz des Personals in anderen Versorgungsbereichen bis zum 30.09.2020 zugelassen. Eingeführt wird eine zusätzliche Anzeigepflicht gegenüber den Pflegekassen, mit denen der Leistungserbringer in rahmenvertraglicher Beziehung steht, wobei es ausreicht, dass die Anzeige der Beeinträchtigung in der Leistungserbringung gegenüber einer Pflegekasse erfolgt, die Partei des Rahmenvertrages ist. Die Anzeigepflicht tritt neben ggfls. notwendige Anzeigen, die aus sonstigen gesetzlichen Vorschriften (z. B. landesrechtliche Heimgesetze) folgen. Eine in Abstimmung vereinbarte Unterschreitung der Personalausstattung darf nicht zum Gegenstand von Vergütungskürzungen gemacht werden.
Maßnahmen:
Durch die Regelung werden mit Inkrafttreten derselben grundsätzlich Antragsverfahren nach § 59 SGB X auf Anpassung bestehender Rahmenverträge oder hierauf basierender Ergänzungsvereinbarungen entbehrlich, jedoch wird ein Abstimmungsverfahren vorausgesetzt, ohne konkret zu regeln, wie dieses durchzuführen ist.
Aus diesem Grund sollten Abweichungen von den vertraglichen Vorgaben in der Leistungserbringung zukünftig spätestens nach Eintritt derselben sowohl gegenüber der Kranken-, als auch der Pflegeversicherung sowie der ggfls. bei Mehrfachversorgung für die Leistungserbringung maßgeblichen Heimaufsicht angezeigt und unter konkreter Benennung eines die Versorgung sicherstellenden Versorgungskonzepts Alternativversorgungsmöglichkeiten angeboten werden.
Darzulegen ist, dass die Abweichung von der vertraglichen Regelung auf dem Corona-Virus beruht und nicht von Ihnen durch anderweitige Maßnahmen abzuwenden ist.
Vertragsabweichungen können nicht nur die Personalauslastung, sondern auch die Qualifikation des Personals, Fortbildungen und andere Vertragsinhalte betreffen. Über die Abweichungen ist eine Einigung zu erzielen.
Einem Antrag wird nur entsprochen werden können, wenn durch die Maßnahmen die pflegerische Versorgung der Patienten sichergestellt bleibt. Für die Patienten tragen Sie mit Übernahme der Versorgung eine sogenannte Garantenstellung, die bei Verletzung derselben und Eintritt eines Schadens auch von strafrechtlicher Relevanz sein könnten. Bitte halten Sie daher insbesondere für den Fall der Unterschreitung personeller Anforderungen einen Notfallund
Maßnahmenplan bereit. Ein solcher wird gegenwärtig von Heimaufsichten angefordert. Zu regeln ist, was konkret bei welcher Personalausstattung zu veranlassen ist und wo die Grenze zur sogenannten gefährlichen Pflege liegt, die nicht unterschritten werden darf. Der Maßnahmenplan dürfte unerlässliche Voraussetzung für das Abstimmungsverfahren sein.
Regelung § 150 Abs. 4, Abs. 2 SGB XI:
Der Gesetzgeber sieht einen Anspruch auch ambulanter Pflegeeinrichtungen auf Erstattung angefallener, außerordentlicher Aufwendungen, sowie von Mindereinnahmen im Rahmen der Leistungserbringung vor, die in Folge des Corona-Virus diesen entstanden sind und die nicht durch anderweitige, finanzielle Hilfen kompensiert wurden. Der Anspruch besteht gegenüber einer Pflegekasse, mit der der Leistungserbringer in rahmenvertraglicher Beziehung steht und kann jeweils monatsweise zum Ende eines jeden Kalendermonats geltend gemacht werden. Für die Auszahlung ist eine 14-Tagesfrist geregelt.
Welche Nachweise im Einzelnen angefordert und wie das Erstattungsverfahren zu regeln ist, hat der Gesetzgeber dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und den Bundesvereinigungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen zu regeln aufgegeben.
Entsprechende Regelungen liegen noch nicht vor.
Maßnahmen:
Um nach Erlass der noch ausstehenden Regelungen zum Erstattungs- und Antragsverfahren außerordentliche Aufwendungen und Mindereinnahmen dem Grunde und der Höhe nach geltend machen zu können, sollten fortlaufende Dokumentationen hierzu geführt werden. Bitte dokumentieren Sie jeden Corona bedingten Mehrbedarf, insbesondere in Bezug auf Kosten von Schutzkleidung, Desinfektionsmitteln, zusätzlichen Personal- und Sachkosten und sonstigen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erfüllung Ihrer Pflegeverpflichtungen. In Bezug auf Mindereinnahmen sind ebenfalls entsprechende Dokumentationen vorzuhalten, insbesondere bei Ausfall von Versorgungen (z.B. Wegfall der Hauswirtschaft, Schulbegleitung oder des Behandlungspflegeanspruchs in Folge der Anwesenheit von Familienangehörigen oder in häuslicher Gemeinschaft mit den Patienten lebenden Dritten, die dessen Versorgung übernehmen). Sollten Sie in Folge des Ausfalls von Versorgungen Leistungen Dritter, z.B. Kurzarbeitergeld erhalten, sind diese Leistungen ebenfalls zu dokumentieren, um diese später in Anrechnung zu bringen.
Regelung § 151 SGB XI:
Nach § 151 SGB XI finden bis einschl. 30.09.2020 keine Regelprüfungen mehr statt.
Anlassbezogene Prüfungen sind weiterhin jederzeit möglich.
© 2020 Björn Markink Rechtsanwalt
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